Menschen im Fleischerhandwerk

Allrounderin mit Power

Von Petra Götz

 

Freitag, 25. November 2022

    

Lebt ihren Beruf mit Leidenschaft: Fleischermeisterin Laura Schlag aus Stuttgart-Mühlhausen.

 

STUTTGART Ob Produktion, Verkauf oder Ehrenamt: Die 26-jährige Fleischermeisterin Laura Schlag aus Stuttgart-Mühlhausen engagiert sich voller Energie und Leidenschaft in allen Bereichen.

Wenn die quirlige Laura Schlag im Laden in Stuttgart-Mühlhausen bedient, geht sie im Verkaufsgespräch auf die jeweilige Kundin oder den Kunden ganz persönlich ein. Dabei ist manchmal echtes Multitasking gefordert.

Der älteren Dame erklärt sie mit Geduld die Funktion des Bezahlautomaten, dem Herren aus der Nachbarschaft beantwortet sie fachkundig seine Produktfragen. Gleichzeitig bittet sie ihre Oma darum, etwas in die Kasse einzugeben, stimmt sich mit der Kollegin im Verkauf durch Blickkontakt über die weiteren Bedienabläufe ab, verpackt in Windeseile, aber sorgfältig Ware, schnitzt noch schnell eine Deko-Tomate und richtet mit kritischem Blick die Theke, in der schon einige Lücken durch Verkäufe klaffen.

Man hat den Eindruck, die 26-Jährige ist überall gleichzeitig und in ihrer Energie nicht zu bremsen. Ihre Ausbildung zur Fleischerin absolvierte Laura Schlag nach dem Realschulabschluss im Fachgeschäft des früheren baden-württembergischen Landesinnungsmeisters Kurt Matthes. Zwei Jahre wurde sie dort in der Produktion ausgebildet, ein weiteres im Verkauf. Im Anschluss an die erfolgreiche Ausbildung arbeitete die junge Gesellin noch ein Jahr im Haus Matthes. Dann verbrachte sie ein halbes Jahr im Betrieb ihrer Eltern. 2017 schrieb sie sich für den Meisterkurs an der Fleischerschule in Augsburg ein. Nach erfolgreicher Meisterprüfung brachte sich Laura Schlag ein knappes Jahr wieder im eigenen Familienbetrieb ein.

Erfahrungen in Kollegenbetrieben gesammelt

Weil sie wissen wollte, wie in anderen Fleischereien gearbeitet wird, hörte sie sich nach passenden Adressen um. Vom Außendienstmitarbeiter eines Lieferanten erhielt die junge Meisterin den Tipp, es bei Wurz in Metzingen zu versuchen. Dort wurde sie mit offenen Armen aufgenommen und verbrachte zwei Monate in dem Kollegenbetrieb, bevor sie den Sommerkurs für den Betriebswirt des Handwerks in Augsburg in Angriff nahm.

Zielstrebig wie Laura Schlag nun mal ist, schloss sie die Weiterqualifikation im Jahr 2018 ab und kehrte zurück in die Landeshauptstadt. Seitdem ist sie – zusammen mit ihren Eltern Petra und Harald Schlag, der agilen Oma Sigrid, ihrer Tante Regina und dem 20-köpfigen Mitarbeiter-Team – hier aktiv. Und zwar überall da, wo sie gerade gebraucht wird. „Ich bin ein Springer“, lacht sie herzlich. Schließlich kann sie dank ihrer Qualifikationen und ihres Erfahrungsschatzes sowohl in der Produktion arbeiten als auch in einem der drei Fachgeschäfte zupacken. Und wo Not am Mann sein könnte, sieht sie sofort. Sie hat nämlich die Urlaubs- und Arbeitseinsatzpläne für das gesamte Team in Händen und Verantwortung.

Das Stammhaus der Schlags befindet sich in Mühlhausen, eine Filiale in Kornwestheim und eine in Stuttgart-Münster. An allen drei Standorten gibt es Verkaufsautomaten. Anfangs konnten sich die Schlags mit der Automaten-Idee nicht so richtig anfreunden – aber „die Automaten haben uns gerettet“, resümiert Laura Schlag. Denn während der Corona-Pandemie musste die Metzgerei zwei Wochen komplett geschlossen werden, weil ein großer Teil der Belegschaft positiv getestet beziehungsweise an Corona erkrankt war. Durch die Automaten wurde während dieser Zeit zumindest ein gewisser Umsatz wirtschaftet.

Ins Sortiment des Fleischer-Fachgeschäfts haben mittlerweile auch vegetarische und sogar vegane Produkte Einzug gehalten. Natürlich ist der jungen Fleischermeisterin durchaus bewusst, dass Vegetarier sich selten in eine Metzgerei verirren, und Veganer schon gar nicht zur Zielgruppe gehören. Laura Schlag erklärt: „Wir wollen unsere Stammkundinnen und -kunden halten. Denn in vielen Familien und Freundeskreisen gibt es mindestens eine Person, die kein Fleisch isst. Und für diesen Kreis bieten wir Produkte an.“ Vorrangig in der Barbecue-Saison legt sie deshalb Grillgemüse, vegetarische Grillkäsesorten und einen veganen Grill-Taler auf Getreidebasis in ihre Theken. Das kommt bei den Einkaufenden gut an und verhindert, dass sie in den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) abwandern, wo es solche Angebote gibt.

Ursprünglich wollte Laura Schlag Floristin werden. Sie hielt sich allerdings selbst nicht kreativ genug, um die Anforderungen zu erfüllen. Und der zweite Berufswunsch, sich zur Köchin ausbilden zu lassen, kam für sie wegen der Arbeitszeiten nicht in Frage. „Ich möchte nicht nachts arbeiten, habe gern an Sonn- und Feiertagen frei und lege Wert auf ein Privatleben, das ich mit meinen Freunden und meinen Hobbys gestalten kann.“ Dieser Anspruch deckt sich mit dem Familienbeschluss der Schlags, Partyservice nur noch während der Ladenöffnungszeiten und nur für Selbstabholer anzubieten. Und auch Lauras Verlobter, der zwar nicht aus der Branche kommt, aber ebenfalls einen Handwerksberuf ausübt, dürfte damit Aussicht auf ein geregeltes Familienleben haben.

Ehrenamtliches Engagement macht viel Freude

Wenn ihr ehrenamtliches Engagement ruft, so beschreibt es ihr Vater Harald, gibt’s kein Halten für Laura. Sie ist in der Innung Stuttgart-Neckar-Fils Mitglied im Gesellenprüfungsausschuss, im Gesamtvorstand des Landesinnungsverbands Baden-Württemberg im Ausschuss für Lebensmittelrecht und im Ausschuss Finanzen aktiv. Außerdem spielt sie in zwei Musikvereinen Querflöte und engagiert sich in der Kirchengemeinde. Diese Termine nimmt sie sehr ernst und bringt sich in die jeweilige Aufgabe mit großem Engagement und viel Leidenschaft ein.

Ihre Zukunftspläne umfassen ihre bevorstehende Heirat, wahrscheinlich eine Weiterbildung zur Ernährungsberaterin und natürlich ihr aktives Engagement für das Fleischerhandwerk. Hier wünscht sie sich, dass nicht nur über Skandale in Schlachthöfen und fleischverarbeitenden Betrieben berichtet wird. Die Medien sollten ihrer Meinung nach auch Positives über das Fleischerhandwerk aufgreifen. „Wir müssen auf uns aufmerksam machen und Öffentlichkeits- und Pressearbeit für uns machen“, ist ihr wichtig. Da sieht sie noch Verbesserungsbedarf – schließlich werde immer wieder politisch gefordert, dass lokale und regionale Angebote wahrgenommen werden und erhalten bleiben sollen. Dass angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage und Inflation die „Alles-unter-einem-Dach“-Discounter verstärkt Zulauf bekommen werden, sieht sie als gegeben an. Andererseits sprächen die hohen Energiepreise dafür, sich der Metzger und Bäcker vor Ort zu erinnern. „Wir sollten klar machen, dass man beim Einkaufen auch mal zwei oder drei Läden in der Umgebung aufsuchen kann, dort hohe Handwerksqualität bekommt und seinen Teil dazu beiträgt, dass diese Betriebe erhalten bleiben.“